1900 Übersetzung ins Deutsch von Andreas Heusler der isländischen "Hænsna-Þóris saga.
Es war ein Mann, Namens Odd, Sohn des Oenund. Er wohnte in Breidabolstad im Thale der heissen Quellen, im Borgar-fjordland. Er hatte eine Frau, die hiess Jorun; sie war eine verständige und hochgeachtete Frau. Die Beiden hatten vier Kinder, zwei wohlentwickelte Söhne, Thorwald und Thorodd, und zwei Töchter. Odd galt nicht für einen Mann von Recht und Billigkeit.
Es war ein Mann, Namens Arngrim, Sohn des Helgi. Er wohnte in Nordtunga. Er hatte einen Sohn, der hiess Helgi.
Es war ein Mann, Namens Blundketil, Sohn des reichen Geir. Er wohnte in Oer-nolfsthal, etwas weiter oben als heute das Gehöft steht: es gab damals noch manche Höfe oberhalb. Er hatte einen Sohn, der hiess Herstein. Blundketil war einer der reichsten Männer und einer der ehrenhaftesten in der Heidenzeit. Er hatte dreissig Pachtgüter. Er war der beliebteste Mann in der ganzen Landschaft.
Es war ein Mann, Namens Thorkel, Sohn des Raudabjörn. Er wohnte in Swigna-skard} ausserhalb der Nordach. Er war ein verstandiger und recht beliebter Mann, reich begütert.
Es war ein Mann, Namens Thorir. Er lebte in kummerlichen Verhältnissen und war nicht besonders beliebt bei den Leuten insgemein. Er warf sich darauf, dass er den Sommer über seinen Handel trieb von Landschaft zu Landschaft und in der einen das verkaufte, was er in der andern gekauft hatte. Es wuchs ihm allmählich ein Vermögen an von diesem Handel. Einmal, wie Thorir über das Hochland nach der Nord-küste zog, da führte er Hühner mit sich und verkaufte sie mit der andern Handelsware: davon bekam er den Beinamen Hühnerthorir.
Thorir erwarb so viel, dass er sich ein Grundstück kaufen konnte, da, wo es Zum See heisst, nicht weit von Arngrims Hofe. Wenige Jahre wirtschaftete er da, bis er ein so vermögender Mann wurde, dass er so ziemlich bei Jedermann grosse Summen stehen hatte. Aber mochte er auch zu Reichtum kommen, er blieb doch unbeliebt; und es gab auch kaum einen unangenehmeren Menschen als diesen Hühnerthorir.
Eines Tages machte sich Thorir auf den Weg und ritt nach Nordtunga. Er suchte den Arngrim auf und trug sich ihm als Pflegevater seines Sohnes an: "Ich müchte deinen Sohn Helgi zu mir nehmen und Acht auf ihn haben, so gut ich's vermag; aber zum Entgelt will ich deine Freundschaft haben und deinen Schutz, damit ich nicht verkürzt werde von den Leuten." Arngrim antwortete: "Es will mir scheinen, viel Ehre würde mir diese Pflegevaterschaft nicht bringen." Thorir antwortete: "So will ich dem Knaben die Hälfte meines Vermögens geben, wenn ich nur als Pflegevater angenommen werde. Du aber musst mir zu meinem Recht verhelfen und musst für mich eintreten, mit wem ich's immer zu thun habe." Arngrim antwortete: "Das ist wahrhaftigwahr: ein so gutes Angebot soll Niemand ausschlagen.14 Darauf zog der junge Helgi zu Thorir heim. Arngrim nahm den Thorir unter seinen Schutz, so dass er von Niemand mehr verkürzt wurde, und man merkte gleich, dass jetzt nicht mehr leicht mit ihm auszukommen sei. Sein Vermögen wuchs immer noch an; er wurde einer der reichsten Mrtn-ner. Unbeliebt blieb er nach wie vor.
Eines Sommers geschah es, dass ein Schiff von der hohen See in den Borgarfjord einlief. Der Schiffsherr war ein Norweger und hiess Ocrn. Er stand als höchst ehrenhafter Kaufmann bei den Leuten in Gunst. Odd erfuhr die Ankunft des Schiffes. Er war gewohnt, früher als Andere zu den Kaufstellen zu kommen und den Kaufpreis der Waren zu bestimmen; denn er hatte die Leitung des Bezirkes in Händen: keiner fand es gerathen, eher zu kaufen, als bis man wusste, wie Odd es zu halten wünschte.
Odd traf die Kaufleute und erkundigte sich, wie sie es mit ihrer Fahrt vorhätten, und wie bald sie zum Verkauf schreiten wollten; er erklärte, es sei Herkommen, dass er den Kaufpreis der Waren bestimme. Oern antwortete: "Ueber unser Eigentum gedenken wir selbst zu schalten, denn du hast keinen Pfennig in unserer Ware stecken; über Worte wirst du wohl für diessmal nicht hinauskommen." Odd erwiderte: »Mir schwant, dass es für dich schlimmer ablaufen wird als für mich. Gut denn! ich thue hiemit kund, dass ich jedermann untersage, bei euch zu kaufen oder euch und eure Fracht von der Stelle zu bringen. Ich werde von denen eine Geldbusse erheben, die euch irgend welche Hilfe zuwenden. Aber das weiss ich, dass ihr euch vor der nächsten Hochflut beim Neumond nicht aus dem Hafen hinaus schafft." Oern antwortete: "Mit deinen Reden kannst du's haken wie du willst, wir lassen uns darum doch nicht vergewaltigen."
Odd ritt heim, die Norweger aber lagen im Hafen und konnten nicht von der Stelle segeln.
Am nächsten Tage ritt Herstein, der Sohn des Blundketil, nach dem Fjord hinaus. Auf dem Rückwege traf er auf die Norweger. Er machte Bekanntschaft mit dem Schiffsherrn, und der gefiel ihm gut. Oern erzählte dem Herstein, wie unbillig sich Odd gegen sie benommen habe: "jetzt wissen wir nicht recht, was wir anfangen sollen." Sie unterhalten sich zusammen den Tag über. Gegen Abend reitet Herstein heim und berichtet seinem Vater von den Seeleuten, wie es mit ihrer Sache stehe. Blundkctil antwortete: "Der Mann ist mir bekannt nach deiner Erzählung: ich war nümlich als Kind mit seinem Vater zusammen, und einen trefflicheren Gesellen hab' ich nie gekannt als seinen Vater. Es ist schlimm, dass er in diese Bedrängnis geraten ist, und sein Vater würde gewiss erwarten, dass ich mich seiner ein wenig annähme, wo er's nötig hat. Reite du morgen früh hinaus zum Hafen und lade ihn zu uns ein mit so vielen von seinen Leuten als er will; und möchte er's Heber anders, so schaffen wir ihn wohin er nur wünscht, landauf oder landab: ich will's mir ernstlich angelegen sein lassen, ihm zu helfen, soweit es in meinen Kräften steht." Herstein sagte, das sei ein guter und hochherziger Beschluss: "Aber doch sollte mich's nicht wundern, wenn wir uns damit gewisse Andere zu Feinden machen." Blundketil erwiderte: "Wir haben das bessere Recht auf unserer Seite, und so brauchen wir auch von Odd nichts zu fürchten."
Die Nacht verstrich, und gleich am Morgen in der Frühe lasst Blundketil Pferde von der Weide zusammen treiben: man macht sich reisefertig, und es treibt Herstein huadertundzwanzig Pferde zu den Kaufleuten hin, ohne dass man ein einziges aus der Wirtschaft in Anspruch zu nehmen brauchte. Er kam zum Hafen und sagte dem Oern den Vorschlag seines Vaters. Oern erklarte, dieses Anerbieten nehme er gern an, aber er meinte doch, Herstein und sein Vater würden sich damit Andere zu Feinden machen. Herstein meinte, daran kehre man sich dann nicht. Da sagte Oern: "So sollen sich meine Matrosen nach andern Landschaften bugsieren: wir haben schon genug zu verantworten, wenn wir nicht alle in einer Landschaft sind."
Herstein schaffte nun den Oern und seine Ware zu sich heim und ging nicht eher von der Stelle, als bis die Kaufleute alle fort waren, das Schill" auf dem Lande befestigt und alles in Ordnung gebracht war. Blundketil nahm den Ocrn aufs beste auf; er sass nun da in guter Verpflegung.
Diese Neuigkeiten kamen vor Odd, und die Leute redeten über das Vorgehen Blund-ketils und fanden, er habe sich widersetzlich gegen Odd bewiesen. Odd antwortete: "So kann man's nennen. Aber wir hnben's hier mit einem Manne zu thun, der bei den Leuten in Gunst steht, und der sich auch selber nicht zu nahe treten lässt: ich will es für diesmal noch so lassen, wie es steht."
Und so blieb es ruhig.
In diesem Sommer gab es wenig Gras und kein gutes, denn es war selten trockenes Wetter. Die Heuernte der Leute wurde sehr gering. Blundketil zog zur Herbstzeit zu seinen Pächtern und erklärte, er wolle sich die Abgaben von allen seinen Gutern in Heu entrichten lassen: "Wir haben viel Vieh zu futtern, und Heu ist wenig zu haben. Ich will auch selbst bestimmen, wieviel geschlachtet werden soll diesen Herbst auf jedem meiner Pachthöfe; dann wird sich's gut schicken."
Der Herbst verstrich, und es kam der Winter und war früh schon bitterlich streng dort in der Gegend, und man war wenig auf ihn gerüstet. Es Hess sich bedenklich an für die Leute. So ging es bis über Weihnachten hinaus. Und wie der Jänner kam, da packte es die Leute hart an, und Manche waren da schon matt gesetzt. Am Abend eines Tages kam einer der Pachter zu Blundketil und sagte, das Heu sei ihm ausgegangen; der Meister solle ihn aus der Klemme ziehen. Der Bauer erwiderte: "Wie kommt das? ich glaubte es so zu berechnen im Herbst, dass ich annahm, es würde sich gut schicken." Der Andere bemerkte, es sei weniger geschlachtet worden, als er vorgeschrieben habe. Blundketil sagte: "Wir wollen eine Uebereinkunfc treffen: ich befreie dich aus der Notlage für diesmal, aber du darfst es Niemand sagen. Denn ich will die Leute nicht daran gewöhnen, sich an mich zu hängen, am allerwenigsten jetzt, wo ihr meine Vorschriften nicht befolgt habt." Der Mann ging heim und erzilhlte seinem Freund, mit Blundketil könne es doch kein Zweiter aufnehmen, wo man's auch mit ihm zu thun habe, und sagte, ihm habe er au9 der Klemme geholfen. Der aber erzählte es seinem Freunde; und so wurde es bekannt in der ganzen Gegend. Die Zeit ging hin, und es kam der Hor-nung. Da kamen zwei von Blundketils Pächtern und sagten, sie seien mit ihrem Heu zu Ende. Blundketil antwortete: "Das war schlecht von euch, dass ihr von meiner Weisung abgegangen seid. Denn die Sache ist die: ich habe wohl noch viel Heu, aber auch eine Menge Vieh; wenn ich nun mit euch teile, so reicht es mir nicht für mein eigenes Vieh; eine andere Wahl habe ich nicht. Sie werden dringlich und stellen ihm vor, wie Übel sie daran seien. Ihm aber wurde es betrüblich, ihr Gewinsel anzuhören. Da Hess er hundertundsechzig Rosse zum Hofe treiben und die vierzig schlechtesten davon schlachten und gab seinen Pachtern das Futter, das für diese Rosse bestimmt gewesen war. Da zogen sie voll Freude ab.
Der Winter wurde je länger je härter, und bei Manchem schaute die Not zu allen Ecken heraus.
Es war im März, da kamen zwei Pächter Blundketils: sie hatten noch am ehesten über einige Habe zu verfugen, und doch war ihnen jetzt das Heu ausgegangen. Sie baten, man möge sie aus der Klemme ziehen. Der Bauer antwortete, er habe nichts vorrätig, und erklärte, noch mehr Vieh wolle er nicht schlachten. Sie fragten nach, ob er vielleicht Leute wisse, die Heu zum Verkauf hatten. Er sagte, er wisse nicht recht. Sie drangen in ihn und sagten, ihr Vieh würde zu Grunde gehen, wenn sie bei ihm keine Hilfe fänden. Er meinte, das sei ihre eigene Schuld: "übrigens hat man mir berichtet, der Hühncrthorir habe wohl Heu zu verkaufen. Sie erwiderten: Von ihm bekommen wir nichts, ausser wenn du mit uns gehst: dann wird er gleich verkaufen, wenn du Bürgschaft für uns Übernimmst." Er antwortete: "Das kann ich thun und mit euch gehen; es ist nur billig, dass die verkaufen, die Vorrat haben."
Sie machen sich früh am Morgen auf den Weg; es blies ein Nordwind, ein recht kalter. Meister Tltorir stand gerade draussen vor dem Hause; er sah die Leute an die Hofmauer heranreiten, da ging er hinein, schloss die Thür hinter sich und schob den Riegel vor. Er setzte sich zum Frühstück.
Jetzt wurde an die Thur geklopft. Der kleine Helgi fing an und sagte: «Geh hinaus, Pflegevater! es werden dich Leute besuchen wollen." Thorir sagte, er wolle zuerst essen. Der Knabe aber lief hinter dem Tisch hervor und ging zur Thür und hiess die draussen freundlich willkommen, Blund-ketil fragte, ob Thorir drinnen sei. Er bejahte es. Da sag ihm, er möge herauskommen", sagte jener. Der Knabe that so und sagte, Blundketil sei draussen gekommen und wolle ihn sprechen. Thorir antwortete: "Wonach hat wohl Blundketil hier zu schnüffeln? Soll mich wundern, wenn er Gutes bringt. Ich habe kein Geschüft mit ihm." Der Knabe ging hin und sagte, Thorir wolle nicht herauskommen. Ach so", sagte Blundketil, "da müssen wir eben hineingehen."
Sie gehen in die Stube; man begrüsst sie, nur Thorir schwieg. "So Hegt die Sache", sagte Blundketil, wir möchten Heu bei dir kaufen, Thorir!" Thorir antwortete: "An deinem Vieh liegt mir nicht mehr als an meinem." Blundketil sagte: "Es kann nun wohl einmal so kommen." Thorir antwortete: "Warum hast du reicher Mann Heumangel?" Blundketil sagte: "Ich habe nicht eigentlich Heumangel, ich möchte für meine Pachter Heu kaufen: sie finden, sie botten's nötig, dass man ihnen aus der Klemme helfe; ich möchte ihnen gern etwas verschaffen, wenn es zu haben wäre." "Das wird dir völlig frei und unverwehrt sein, Anderen aus deinen Mitteln zu helfen, aber nicht aus meinen!" Btundketil antwortete: "Ich will es nicht als Geschenk von dir erbitten: lass den Odd und den Arngrim den Kaufpreis zu deinen Händen bestimmen, und obendrein will ich dir noch Geschenke geben." Thorir sagte, er habe kein Heu zu verkaufen: "und ich will auch keines verkaufen".
Da ging Blundketil hinaus und seine Begleiter, und der Knabe mit ihnen. Da fing Blundketil an: "Wie ist's? hat dein Pflegevater kein Heu zu verkaufen, oder will er keines verkaufen?" Der Knabe erwiderte: "Gewiss hat er, wenn er nur will!" Blundketil sagte: "Führ uns einmal zu dem Heu hin." Er that so. Nun berechnete Blundketil das Futter für Thorirs Vieh, und es wollte ihm scheinen, auch wenn bis zum Allthing hin im Stalle gefüttert würde, so würden doch fünf Fuder übrig bleiben. Darauf gingen sie wieder hinein.
Blundketil sagte: "Mir will's so scheinen mit deinen Heuverhaltnissen, Thorir: es wird ein gut Teil übrig bleiben, auch wenn all dein Vieh im Stalle gefuttert wird bis zum Allthing; und diesen Rest mochte ich kaufen." Thorir erwiderte: "Was soll ich da im nächsten Winter haben, wenn der ebenso wird oder noch schlimmer?" Blundketil antwortete: "Ich verspreche dir, ich werde dir Heu verschaffen im Sommer, ebenso viel und genau ebenso gutes wie das hier, und werde es dir in's Haus führen." Thorir antwortete: "Wenn euch jetzt die Vorräte nicht reichen, woher sollte da im Sommer der Ueberfluss kommen aber ich weiss, du bist der mächtigere, und da kannst du mir ja das Heu wegnehmen, wenn du willst." Blundketil antwortete: "So ist's nicht gemeint. Du weisst, Silber deckt alle Schulden hier zu Land; damit will ich dich bezahlen." Thorir antwortete: "Ich begehre dein Silber nicht." "So nimm an Ware, was Odd und Arngrim dir zu Händen berechnen." "Es sind wenig Knechte hier im Haus, um die Ware herzubringen", sagte Thorir, "und ich habe keine Lust zum Hin- und Herziehen und will mir mit so etwas nicht zu schaffen machen." Blundketil erwiderte: "So will ich's dir heimbringen lassen." Thorir sagte: "Meine Räume sind nicht darauf eingerichtet, dass man sicher sein könnte, dass es nicht verdorben geht." Blundketil antwortete: "Ich will Haute dazu geben und die Ware so einschlagen, dass nichts geschieht." Thorir antwortete: "Ich will nicht das Getrampel von anderen Leuten in meiner Wohnung haben." Blundketil entgegnete: "So soll es den Winter über bei mir sein, und ich will's in Verwahrung haben." "Ich weiss, was ich von deinen Redensarten zu halten habe", sagte Thorir, "und ich lass mich auf kein Geschäft mit dir ein." Blundketil sagte: "Dann um so schlimmer!, wir werden nichts desto weniger das Heu mitnehmen, magst du's auch verbieten; den Wert legen wir an seine Stelle; wir wollcn's uns zu Nutze machen, dass wir in der Mehrheit sind." Da schwieg Thorir, und es wurde ihm bös zu Muthe.
Blundketil Hess Stricke holen und das Heu zusammen binden. Darnach luden sie die Lasten auf die Pferde und führten das Heu weg; aber für Thorirs Vieh hatten sie es reichlich berechnet.
Jetzt ist zu erzahlen, was Thorir anfing. Er machte sich auf den Weg, und sein Pflegesohn Helgi mit ihm. Sie ritten nach Nordtunga und wurden dort aufs Beste aufgenommen. Arngrim fragte, was es neues gebe. Thorir antwortete: "Neueres habe ich nichts gehört als das von dem Raube." "Was war das für ein Raub?" sagte Arngrim. Thorir antwortete: "Blundketil hat mir meine ganzen Heuvorräte geraubt: es ist keine Fütterung mehr übrig für die Kühe, glaube ich, wenn das Wetter kalt bleibt." "Ist es so, Helgi?" sagte Arngrim. "Ganz und gar nicht", sagte Helgi, "Blundketil hat sich ehrenhaft benommen." Und nun erzahlte Helgi, wie es zwischen ihnen gegangen sei. Da sagte Arngrim: "So Hess sich's eher erwarten. Das Heu ist in besseren Hunden, wenn er es hat, als wenn es bei dir verfault." Thorir antwortete: "Zur büsen Stunde habe ich dir meine Pflege Vaterschaft angeboten! man mag mir daheim noch so Übel mitspielen, ich habe darum doch keine Zuflucht bei dir, und es wird mir doch nicht zu meinem Recht verholfen. Das ist ganz empörend!" Arn-grim antwortete: "Es war von Anfang an unvorsichtig von mir; denn wer dir hilft, hilft keinem wackeren Manne." Thorir entgegnete: "Ich bin keiner von den Empfindlichen; aber das kränkt mich doch, dass du mir das, was ich für dich gethan habe, so lohnst, -- und nun gar noch, dass mich die Leute berauben! Uebrigens ist das ebenso gut dir weggenommen." Und damit gingen sie auseinander.
Thorir ritt davon, und kam nach Breida-bolstad; Odd hiess ihn freundlich willkommen und fragte, was es neues gebe. "Neueres habe ich nicht vernommen, als das von dem Raube." "Was für ein Raub war das?" sagte Odd. Thorir erwiderte: "Blundketil hat mir all mein Heu weggenommen, so dass ich jetzt ganzlich entblösst bin. Ich möchte gerne deinen Schutz haben. Die Sache geht dich auch an, denn du bist der Vorsteher hier im Kreise und hast nach dem Rechten zu sehen, wenn es irgendwo fehlt. Auch magst du dich dran erinnern, dass er sich als dein Widerpart gezeigt hat." Odd fragte: "War es so, Helgi?" Dieser sagte, Thorir mache etwas ganz Anderes daraus; er beschrieb dann, wie es zugegangen war. Odd antwortete: "Da mische ich mich nicht hinein; ich hätte es auch so gemacht, wenn ich's nötig gehabt hätte." Thorir antwortete: "Es ist wahr, wie es im Sprichwort heisst: ,Je weiter weg von schlechten Gesellen, um so besser und ,Das wahre Unglück kommt nicht vom Feinde." Damit ritt Thorir davon, und Helgi mit ihm; er kam nach Haus und war gewaltig unzufrieden.
Im Sommer vorher war Thorwald, der Sohn des Odd, nach Island zurückgekehrt und hatte an der Nordküste den Winter über Quartier genommen. Als es gegen den Sommer ging, brach er nach dem Sudlande auf, zu seinem Vater. Er war eine Nacht zu Herberge in Nordtunga, in guter Verpflegung. Dort befand sich ein Mann in Quartier, der hiess Widfari. Er war ein Landstreicher; er trieb sich herum von einer Ecke des Landes zur andern. Er war ein naher Verwandter von Thorir und glich ihm auch in seinem Wesen.
An diesem selben Abend packte Widfari sein Bündel und machte sich aus dem Staube; er ruhte nicht, bis er zu Thorir kam. Der nahm ihn mit offenen Armen auf: "Ich weiss, deine Ankunit bringt mir etwas Gutes." Er antwortete: "Das kann schon sein! jetzt ist nämlich Thorwald, der Sohn des Odd, nach Nordtunga gekommen und befindet sich dort zu Herberge." Thorir antwortete: "Das sah ich gleich mit Bestimmtheit, dass mir irgend etwas Gutes zustossen werde; denn es wurde mir froh zu Mut, als ich dich sah."
Die Nacht verstrich, und alsbald am Morgen ritt Thorir mit seinem Pflegesohn nach Nordtunga. Da hatten sich eine Menge Leute eingefunden. Dem Knaben wurde ein Platz zum Sitzen gegeben, Thorir aber ging in dem Mittelraum auf und ab. Thorwald wurde darauf aufmerksam, während er auf der Bankbuhne neben Arngrim sass und mit diesem plauderte. "Wer ist der Mann, der da im Mittelraum auf und ab geht?" sagte Thorwald. Arngrim antwortete: "Das ist der Pflegevater meines Sohnes." "Ach so", sagte Thorwald, "warum soll er keinen Platz bekommen?" Arngrim sagte, daran Hege dem garnichts. "Nicht doch", sagte Thorwald und Hess jenen zu 9ich rufen und machte ihm Platz neben sich zu sitzen. Sie fragten einander nun, was sich die Leute neues erzählten. Thorir sagte: "Das war eine Prüfung, als Blundketil mich beraubte." Thorwald fragte: "Hat man die Sache beigelegt?" "Weit entfernt davon!" sagte Thorir. "Wie kommt das, Arngrim", sagte Thorwald, "dass ihr Häuptlinge eine solche Schändlichkeit vor sich gehen lasst?" Arngrim erwiderte: "Das Meiste davon: ist gelogen, und Beweise kann er keine bringen;" "Aber das ist doch wahr, dass Blundketil das Heu mit sich nahm?" sagte Thonvald. "Gewiss that er das", sagte Arngrim. "Jeder ist Herr über sein Eigentum", sagte Thorwald, "und er hat wenig von der Freundschaft mit dir, wenn er sich dennoch muss treten lassen." Da sagte Thorir: "Du machst mir einen sehr guten Eindruck, Thorwald I und wenn's mir recht ist, wirst du vielleicht meine Sache in's Geleise bringen." Thorwald sagte: "Ich habe kaum die Macht, Andere zu schützen." Thorir sagte: "Ich will dir mein halbes Vermögen geben unter der Bedingung, dass du mir zu meinem Recht verhilfst und es durchsetzest, dass er entweder geachtet werde, oder wir die Strafe nach eigenem Ermessen verhangen können, damit meine Gegner nicht langer mit meinem Eigentum umspringen." Da sagte Arngrim: "Thu das nicht, Thorwald! denn das ist kein wackerer Bursch, dem du da helfen willst, und auf der anderen Seite hast du es mit einem Manne zu thun, der nicht nur verstandig ist und ehrenhaft, sondern auch Überall in Gunst steht" "Ich sehe", sagte Thorwald, "bei dir regt sich der Neid, wenn ich sein Geld annehme: du gönnst mir das nicht." Thorir sagte: "Du musst bedenken, Thorwald: mein Vermögen wird sich in gutem Stande finden, und die Anderen können's. bezeugen, dass ich nicht weit und breit meine Gläubiger sitzen habe." Arngrim sagte: "Ich will dir noch einmal abraten, Thorwald: übernimm den Handel nicht. Aber du wirst thun, wie dir beliebt. Mir bangt, dass dies grosse Folgen haben wird." Thorwald erwiderte: "Ich mag dieses Geldangebot nicht abschlagen."
Darauf sicherte ihm Thorir sein halbes Vermögen mit Handschlag zu und Übertrug ihm zugleich die Rechtsklage gegen Blund-ketil. Da sprach Arngrim noch einmal: "Wie gedenkst du in diesem Handel vorzugehen?" Thorwald antwortete: "Ich will zuerst meinen Vater aufsuchen und dort weiter überlegen, was zu thun ist." Da sagte Thorir: "Das behaßt mir nicht. Ich will keine Halbheiten. Ich hab's mich viel kosten lassen; und ich will, dass man gleich morgen gehe und den Blundketil vorlade." Thorwald erwiderte: "Das wird in der That so sein, dass du wohl keiner von denen bist, die Segen bringen. Schlimmes wird von dir ausgehen Aber so muss es nun wohl sein." Und er macht mit Thorir aus, sich am nächsten Morgen an verabredeter Stelle zu treffen.
Alsbald am Morgen in der Frühe brach Thorwald zu Pferde auf und mit ihm Arn-grim mit dreissig Mann. Sie trafen den Thorir, und der war selbdritt: er hatte den jungen Helgi bei sich und seinen Verwandten Widfari. Da sagte Thorwald: "Warum seid ihr so wenige, Thorir?" Er antwortete: "Ich wusste, dass es dir nicht an Mannschaft fehlen wurde."
Sic ritten nun hinauf der Berghalde entlang. Von den Höfen aus sah man die Schar daherziehen, und es sprengte ein Jeder von seinem Hof; Jeder wollte als erster zu Blundketil kommen, und so fanden sich bei ihm gar Manche zusammen.
Thorwald und seine Begleiter ritten zur Hofmauer und stiegen dort von ihren Pferden und gingen zum Gehöft hin. Sobald Blundketil dies sah, ging er ihnen entgegen und bot ihnen Aufnahme und Bewirtung an. Thorwald sagte: "Zu anderem Zwecke kommen wir her, als uns hier an's Essen zu setzen. Ich möchte wissen, wie du dich verantworten willst, dafür dass du Thorir's Heu an dich nahmst." Blundketil antwortete: "Was ich ihm sagte, soll auch für dich gelten: bestimme du selbst die Summe, wie es dir beliebt. Und obendrein will ich dir noch Geschenke geben, und weil du höher stehst als Thorir, sollen sie auch um so viel grösser und besser sein; ich will deine Stellung so hoch anschlagen, dass Jedermann sagen soll, du gehest wohlgeehrt aus der Sache."
Thorwald schwieg und fand, das sei ein gutes Anerbieten. . Da versetzte Thorir: "Darauf kann man nicht eingehen wir brauchen uns das gar nicht erst zu Überlegen -- das hätte ich schon lange haben können! Ich rechne dir das nicht als Hilfeleistung an, wenn du weiter nichts thust. Ich hatte wenig davon, dass ich dir mein Vermögen schenkte!"
Darauf sagte Thorwald zu Blundketil: "Und was willst du für die strafrechtliche Seite der Sache thun?" Blundketil sagte: "Ich bleibe bei dem, was ich vorhin angeboten habe." Da entgegnete Thorwald: "Dann scheint mir, es ist keine andere Wahl, als die Vorladung ergehen zu lassen." Er lud nun Blundketil vor Gericht wegen Raubes und ernannte sich Zeugen, und wendete solche Worte und Ausdrucke an, die schärfsten, die zu Gebote standen.
Da kehrte sich Blundketil dem Hause zu. Er begegnete dem Norweger Oern, wie der eben zu seiner Ware gehen wollte. Oern fragte: "Bist du verwundet, Meister, dass du so rot bist wie Blut?" Er erwiderte: ,Verwundet bin ich nicht, aber das da ist eben so schlimm: man hat Worte gegen mich gebraucht, wie sie früher nie gebraucht worden sind: ich bin ein Dieb und ein Räuber genannt worden."
Oern geht nach seinem Bogen und setzt einen Pfeil an die Sehne; er tritt aus dem Haus in dem Augenblick, wo jene aufsitzen. Er schoss ab und es wurde einer getroffen und Hess sich vom Pferde herunter gleiten: das war Helgi, der Sohn Arngrims. Die Andern liefen auf ihn zu. Thorir drängte sich vorwärts zwischen den Leuten und stiess die Leute von sich und sagte, man solle ihm Platz machen: "denn mir liegt's am meisten am Herzen." Er beugte sich zu Helgi nieder; da war der schon tot. Thorir sagte: "Steht's bös mit den Kräften, mein Junge?" Dann richtete sich Thorir von ihm auf und sagte: "Der Knabe hat zu mir gesprochen: er sagte zweimal dasselbe, diese Worte:
Lasst brennen, lasst brennen,
Den Blundketil drinnen!
Da antwortete Arngrim: "Jetzt ist's gekommen, wie mir schwante, und wie es heisst: ,von bösen Leuten erntet man Böses'; ich sah voraus, dass man viel Böses von dir ernten werde, Thorir Was der Knabe gesprochen hat, weiss ich nicht, magst du da noch so viel herschwatzen; aber unwahrscheinlich ist's nicht, dass es dazu kommen werde. Die Sache hat Übel begonnen: kann sein, dass sie auch so ausgehen wird." Thorir erwiderte: "Ich glaube, du hast Nötigeres zu thun, als mich auszuzanken."
Arngrim und seine Schar ritten nun weg, unter einen Waldvorsprung. Dort stiegen sie von den Pferden und blieben da,bis es Nacht wurde. Blundketil aber dankte den Bauern aufs Beste für ihren Zuzug und sagte, es möge sich jetzt jeder auf den Heimweg machen, wie es ihm gerade passe.
So wird berichtet, sobald es Nacht war, ritt Thorwald und seine Schar zum Hofe Oernolfsthal. Dort lagen alle Leute schon im Schlaf. Sie schleppten einen Holzstoss zum Hause und setzten ihn in Brand. Als Blundkeiil und die Seinen erwachten, da standen schon die Gebäude über ihnen in Flammen. Blundketil fragte, wer diese Gluthitze angerichtet habe. Thorir nannte sich und die Andern. Blundketil wollte wissen, ob irgendwie ein Vergleich zu erlangen sei; Thorir erklärte, es sei keine andere Wahl als zu verbrennen.
Sie gingen nicht eher von der Stelle, als bis jedes lebende Wesen drinnen verbrannt war.
Herstein, der Sohn Blundketils, war am Abend vorher zu seinem Pflegevater gegangen, der Thorbjörn hiess. Man erzählt sich, dass dieser Thorbjörn seine sichtbare Gestalt bisweilen verliess. Herstein erwachte am frühen Morgen und fragte, ob sein Pflegevater wach sei. Er sagte, er sei wach: "was willst du denn?" "Mir träumte, und es war mir, als ob mein Vater hier herein trete, und die Kleider an ihm standen alle in Flammen, und es war mir, als sei er von. Kopf bis. zu Fuss ein Feuer."
Sie standen auf und traten vor's Haus und sahen gleich die Glut. Da nahmen sie ihre Waffen und ritten scharf. Als sie zu der Stelle kamen, da waren alle schon weg.
Da sagte Herstein: "Hier, haben sich traurige Dinge zugetragen! Wie ist's, was ist jetzt zu thun?" Thorbjörn antwortete: "Jetzt wollen wir uns Odds Versprechen zu nutze machen: er hat mir oft gesagt, ich solle zu ihm kommen, wenn ich etwas nötig hatte." Herstein antwortete: "Davon verspreche ich mir nichts." Dennoch machten sie sich auf den Weg, kamen nach Breida-bolstad und Hessen den Odd herausrufen. Er kam heraus, hiess sie willkommen und fragte, was es neues gebe. Sie erzählten, was geschehen war. Er äusserte sich miss-billigend darüber. Da fing der alte Thorbjörn an: "So steht es, Meister Odd", sagte er: "du hast mir einmal deinen Schutz versprochen: so bitte ich dich denn jetzt, dass du irgend einen guten Rat giebst und ihn ausfuhren hilfst." Odd sagte, das wolle er thun.
Darauf ritten sie nach Oernolfsthal und langten noch vor Tage an. Da waren die Gebäude eingefallen und das Feuer so ziemlich unter der Asche verglommen. Odd ritt zu einem der Gebäude, das nicht ganz verbrannt war. Er streckte sich aus nach einem Birkenbalken und zog ihn mit einem Ruck aus dem Gebäude, ritt alsdann mit dem lohenden Brande um das Haus, dem Sonnenlauf entgegengekehrt, und sprach: "Hier ergreife ich Besitz von Grund und Boden, dieweil hier nun keine bewohnte Heimstätte zu sehen ist. Es sollen's hören, die als Zeugen zugegen sind!" Darauf spornte er sein Pferd und ritt davon.
Da sprach Herstein: "Was ist jetzt zu thun? Dies ist nicht gut ausgefallen!" Thorbjörn sagte: "Schweige jetzt, wenn's dir möglich ist, was du auch geschehen siehst." Herstein bemerkte, er habe doch gewiss nicht zu viel gesagt.
Eine Vorratskammer, die von den Wohn-gebauden getrennt stand, war vom Feuer verschont: da war die Ware des Norwegers darin und viele andere Habe. Auf einmal verschwand der alte Thorbjörn. Herstein schaute nach dem Gehöfte hin: er sah die Vorratskammer offen stehen und die Habe herausgetragen werden, aber Menschen sah er keine. Es werden da die Sattelpacke gebunden. Darauf hört er ein grosses Getrampel in den Hof herein: da sieht er, dass alle Pferde aus dem Besitz seines Vaters heimgetrieben werden, die Schafe und die Rinder aus dem Stalle, der ganze Vichstand. Darnach werden die Lasten auf die Pferde gehoben, alles setzt sich in Bewegung, und alles was Geldwert hat, wird davon geführt. Herstein macht sich dahinter her, und jetzt sieht er, dass der alte Thorbjörn den Zug vor sich her treibt.
Sie nehmen ihre Richtung thalabwarts durch die bewohnte Landschaft hin, in die Gegend von Stufholt und dann hinaus über die Nordach.
Der Schafhirte des Thorkel von Swigna-skard war diesen Morgen dem Vieh nachgegangen. Er sah jene daher kommen und allerhand Vieh vor sich hertreiben. Er berichtete das dem Thorkel; der aber erwiderte: "Ich weiss, was das zu bedeuten hat: das werden die Ocrnolfsthaler sein, meine Freunde; sie haben stark unter dem Winter gelitten und werden ihr Vieh hieher treiben wollen. Das soll ihnen freistehen: ich habe reichlich Heu, und es fehlt auch nicht an Platzen für das Weidevieh." Er ging hinaus, als jene in den Hof kamen, hiess sie willkommen und bot ihnen Bewirtung an, soviel sie nur wünschten. Sie kamen kaum dazu abzusitzen, so dienstbeflissen war der Bauer gegen sie. Thorbjörn sagte: "Du hast's ja wichtig mit deiner Gastfreundschaft, und es lüge auch viel daran, dass du alles das gut ausfuhrst, was du uns versprichst." "Ich weiss, was euch herführt: das Vieh wird hier zurückbleiben sollen. Es ist hier auch an guten Weideplatzen kein Mangel." Thorbjörn sprach: "Das wollen wir annehmen." Dann nahm er den Thorkel bei Seite neben das Haus und sagte: "Es sind grosse Neuigkeiten zu berichten." Thorkel fragte, was für welche es seien. "Meister Blund-ketil wurde heut Nacht in seinem Hofe verbrannt", sagte Thorbjörn. "Wer verübte diese Schurkenthat?" sagte Thorkel. Da erzählte Thorbjörn alles, wie es ergangen war: "und jetzt hat Herstein deinen guten Rat nötig.'1 Thorkel sagte: "Es scheint mir nicht so sicher, ob ich mich so schnell zu dem Versprechen herbeigelassen hätte, wenn ich das im Voraus gewusst hätte! Aber jetzt will ich denn meine Mitwirkung gewähren. Gehen wir jetzt zuerst zum Essen!" Sie waren zufrieden.
Thorkel war nun sehr einsilbig und so in Gedanken versunken. Als sie gegessen hatten, Hess er ihre Pferde holen; sie nahmen ihre Waffen an sich und sassen auf. Thorkel ritt voraus den Tag über; vorher hatte er noch gesagt, dass man das Vieh auf der Weide gut in Acht haben und das im Stalle gut mit Futter versehen solle.
Sie ritten nun hinaus nach dem Skogar-strande, zu dem Hofe Gunnarsstadir: der liegt im inneren Teile des Strandes. Dort wohnte ein Mann, Namens Gunnar, Sohn der Hlif; der war gross, stark und streitbar wie nicht bald ein Zweiter. Er hatte die Schwester des Thord Gellir zur Frau. Gunnar hatte zwei Töchter, die eine hiess Jofrid, die andere Thurid.
Sie langen spät am Tage an und sitzen ab oberhalb der Gebäude. Es ging ein Nordwind und war recht kalt. Thorkel geht zum Eingang und klopft; aber ein Knecht kommt an die Thür, begrüsst den Ankömmling , freundlich und fragt, wer er sei. Thorkel meinte, er werde um nichts gescheiter sein, auch wenn er's ihm sagte: "sag dem Gunnar, er möge herauskommen." Er bemerkte, Gunnar sei schon zu Bett. Thorkel sagte, er möge melden, es wolle ihn einer sprechen. Der Knecht' that so: er ging hinein und meldete dem Gunnar, es wolle ihn einer sprechen. Gunnar fragte, wer es sei. Der Knecht bemerkte, das wisse er nicht: "aber ein gross gewachsener Mann ist es." Gunnar sagte: "Geh und sag ihm, er solle hier über Nacht bleiben." Der Knecht ging und that, wie Gunnar ihm auftrug; aber Thorkel erklärte, er nehme keine Einladung von einem Leibeigenen an, nur vom Bauer selbst. Der Knecht sagte, das wäre ja zu verlangen: "aber Gunnar hat nicht die Gewohnheit, zur Nachtzeit aufzustehen. Thu eins von beidem", sagte der Knecht, "geh weiter oder komm herein und bleib hier über Nacht." "Thu du eins von beidem", sagte Torkel, "richte den Auftrag aus, wie sich's gehört, oder ich setze dir den Schwertknauf auf die Nase."
Der Knecht lief hinein und schlug die Thür hinter sich zu. Gunnar fragte, warum er's so hitzig habe. Er sagte, er wolle nicht langer mit dem draussen sprechen: "denn der führt eine gar schnelle Zunge!"
Da stand Gunnar auf und ging nach dem Hofplatz hinaus: er war im Hemd und Leinenhosen, den Mantel Übergeworfen und schwarze Schuhe an den Füssen, das Schwert in der Hand. Er hebst den Thorkel freundlich willkommen und sagt ihm, er möge eintreten. Der erklart, er sei zu mehreren. Gunnar tritt auf den Hofplatz heraus, aber Thorkel greift nach dem Thurring und lasst die Thür zufallen. Dann gehen sie hintcr's Haus. Gunnar begrüsst die Andern. Thorkel sagte: "Setzen wir uns nieder; denn wir haben Vieles mit dir zu bereden, Gunnar!" So thüten sie; die Zweie setzten sich nieder zu beiden Seiten Gunnars, und so nahe, dass sie auf den Mantel zu sitzen kamen, den Gunnar übergeworfen hatte.
Da sprach Thorkel: "So liegt die Sache, Meister Gunnar! Mein Begleiter hier heisst Herstein, Sohn des Blundketil. Wir wollen mit unserem Anliegen nicht zurückhalten: er möchte um deine Tochter Thurid werben. Ich bin auch desshalb mit ihm gegangen, weil ich nicht möchte, dass du den Mann abwiesest; denn mir scheint das eine überaus günstige Heirat. Ich meine auch, es Hegt viel daran, dass diese Werbung samt meiner Fürsprache nicht geringschätzig behandelt werde, und dass die Antwort nicht lange auf sich warten lasse." Gunnar sagte: "Der Bescheid in dieser Frage hängt nicht von mir allein ab; ich will mich erst mit der Mutter des Mädchens beraten und auch mit meiner Tochter selbst und ganz besonders mit ihrem Oheim, dem Thord Gellir. Uebrigens ist mir lauter Gutes von dem jungen Manne zu Ohren gekommen und von seinem Vater ebenso, und es ist das eine Sache, die man sich wohl überlegen kann." Da antwortete Thorkel: "Bedenke das wohl, wir sind keine Brautwerber, die sich auf die Zukunft vertrösten lassen; auch scheint es uns, wir haben ebenso wohl deine Ehre im Auge wie die unsere. Ich finde es auch sonderbar von einem so ge-scheidton Mann, wie du bist, dass du dich da erst noch besinnen willst, bei einem so guten Anerbieten. Dazu haben wir auch diese Reise nicht angetreten, dass sie zwecklos verlaufen soll; und ich will dir, Herstcin, allen Beistand leisten, den du nur wünschest, damit dies von Statten gehe, wenn er nicht einsehen mag, was ihm ansteht." Gunnar antwortete: "Das kann ich nicht verstehen, warum ihr euch so hitzig gebärdet und es bis dicht an Drohungen kommen lasst. Denn mir scheint diese Heirat durchaus angemessen für beide Teile, aber es giebt kaum etwas Böses, dessen ich mich nicht von euch zu versehen hätte. So werde ich mich denn wohl dazu verstehen, die Hand darzureichen." Und so that er. Herstein aber ernannte sich Zeugen und verlobte sich das Mädchen. Darnach stehen sie auf und gehen in's Haus. Sie werden gut bewirtet und verpflegt. Nun fragte Gunnar, was es Neues gebe. Thorkel sagte, das Neueste, das. sie vernommen hätten, sei der Mordbrand bei Blundketil. Gunnar fragte, von wem das ausging. Thorkel sagte, der Urheber sei Thorwald, der Sohn des Odd, und Arngrim. Gunnar antwonete nicht viel, tadelte es wenig, lobte es aber auch nicht.
Alsbald am Morgen in der Frühe war Gunnar auf den Beinen, ging zu Thorkel und sagte, sie möchten sich ankleiden. Sie thaten so, und gingen dann zum Frühstück. Es waren auch schon ihre Pferde bereit, und sie sassen auf. Gunnar ritt voraus, landeinwärts dem Fjorde entlang. Es war damals noch stark vereist. Sie rasteten nicht, bis sie nach Hwamm zu Thörd Gellir kamen. Der hiess sie freundlich willkommen und fragte, was es Neues gebe; sie erzahlten, so viel ihnen gut schien. Gunnar nahm den Thord bei Seite und sagte ihm, seine Begleiter seien Herstein, der Sohn des Blund-ketil, und Thorkel von Swignaskard: "ihr Anliegen ist diess, dass sich Herstein um die Verschwligerung mit mir bewirbt und um die Hand meiner Tochter Thurid. Was meinst du, scheint es dir ratlich? Der junge Mann ist stattlich und anstellig, es fehlt ihm auch nicht an Vermögen, denn sein Vater hat erklärt, er wolle die Wirtschaft abgeben, und Herstein solle sie übernehmen." Thord antwortete: "Mit Blundketil stehe ich gut; denn einmal, als Odd und ich auf dem Allthing einen Streit führten um die Todschlogs-busse für einen Knecht, die ihm auferlegt wurde, da brach ich nachher auf, um 9ic einzutreiben, bei einem heillosen Wetter, ich selbdritt, und da kamen wir Nachts zu ßlundketil und wurden dort vortrefflich aufgenommen und blieben eine Woche da. Er gab uns frische Pferde zum Wechseln und schenkte mir ein Paar gute Gestütpferde. Dies ist meine Erfahrung mit ihm. Aber doch habe ich den Eindruck, es könne nichts schaden, wenn dieser Handel unterbliebe." "Bedenke das aber", sagte Gunnar, einem andern Manne wird sie nicht verlobt werden, auch wenn sich einer anbietet; denn ich glaube, dieser junge Mann lässt sich eine Hintansetzung nicht gefallen, und es steht viel auf dem Spiele, wenn wir ihn zurückweisen.
Darnach suchte Gunnar seine Tochter auf -- die war nämlich bei Thord in Erziehung -- und forschte bei. ihr nach, wie sie sich dazu stelle. Sie antwortete, sie sei nicht so mannersüchtig, dass sie nicht ebenso gern daheim bliebe: "denn bei meinem Oheim Thord bin ich gut aufgehoben. Aber was ihr beide wünscht, das will ich thun, in dieser Sache wie in allem übrigen."
Jetzt wurde Gunnar dringlicher bei Thord und sagte, er finde das eine sehr ehrenvolle Heirat. Thord antwortete: "Nun, warum giebst du ihm dann deine Tochter nicht, wenn es dir denn zusagt?" Gunnar erwiderte: "Nur unter der Bedingung gebe ich sie ihm, dass es ebenso wohl dein Wille sei wie der meine." Thord sagte, der Be-schluss solle von ihnen beiden ausgehen. "Ich möchte", sagte Gunnar, dass du, Thord, dem Herstein das Madchen anverlobst." Thord antwortete: "Das musst du selber thun, deine eigene Tochter verloben!" Gun-nar antwortete: "Ich fnde, es liegt mehr Ehre darin, wenn du sie verlobst; so steht es uns besser an."
Da Hess denn Thord der Sache den Kauf, und die Verlobung ging vor sich.
Da sagte Gunnar: "Ich bitte noch darum, dass du die Hochzeit hier in Hwamm Stattfinden lassest: dann wird sie besonders ehrenvoll werden." Thord sagte, er könne es auch damit halten, wie er wolle, wenn es ihm so lieber sei. Gunnar sagte: "Lass es uns so verabreden, dass die Hochzeit gleich nach Ablauf einer Woche stattfinde."
Darnach sassen sie auf und setzten sich in Bewegung; Thord begleitete sie auf den Weg hinaus und fragte noch einmal, ob irgend etwas Neues zu berichten sei. Gunnar antwortete: "Das Neueste, das wir vernommen haben, ist der Mordbrand bei Meister Blundketil." Thord fragte, was es damit sei; aber Gunnar berichtete alle näheren Umstünde bei dem Brande, wer ihn veranlasst und wer ihn ausgeführt habe. Thord sprach: "Diese Heirat ware nicht so schnell beschlossen worden, wenn ich das gewusst haue. Ihr bildet euch jetzt ein, ihr hättet mich weit überholt in der Schlauheit und mich gut in die Falle gelockt. Aber doch, meine ich, ist es nicht so gewiss, ob ihr allein in dem Handel mitzusprechen habt!" Gunnar sagte: "Von dir darf man sich guten Schutz versprechen; auch ist es jetzt deine Pflicht, deinem Neffen beizustehen; und wir sind verpflichtet, dir beizustehen; denn Viele haben es mit angehört, dass du das Mädchen verlobt hast, und alles dies geschah auf deinen Entscheid hin. Es ist auch ganz recht, wenn ihr einmal erprobt, ihr Häuptlinge, wer von euch die Oberhand behält; denn ihr habt jetzt schon lange auf einander eingebissen wie die Wölfe."
Daraufgehen sie auseinander; und Thord war in grossem Zorn und fand, sie hätten ihn zum Narren gehalten. Sie aber ritten zunächst nach Gunnarsstadir zurück und fanden, sie hatten ihre Sache gut gemacht, dass sie den Thord in den Handel hereinzogen, und waren fröhlich und guter Dinge.
Sie ritten für diesmal nicht weiter dem Süden zu, sondern luden gleich die Leute zur Hochzeit, und zur verabredeten Zeit stellten sie sich alle in Hwamm ein.
Thord hatte schon manche Gäste versammelt. Er wies jetzt den Leuten ihre Sitze an: er selbst sass auf der einen Sitzreihe mit seinem Schwager Gunnar und dessen Leuten, aber auf der andern Sitzreihe sass Torkel und neben ihm der Bräutigam und die von ihnen Eingeladenen; die Brautjungfern nahmen die Sitzreihe an der Schmalwand ein.
Sobald aber die Tische vor den Gasten aufgepflanzt und alle Leute an ihren Sitz gekommen wuren, sprang Herstein, der Bräutigam, hervor über den Tisch und schritt auf einen Stcinblock zu, der im Mittelraume lag. Er stieg mit dem einen Fussc auf den Stein und sprach: "Darauf lege ich ein Gelübde ab", sagte er, "eh das Allthing aus ist diesen Sommer, soll der Gode Arngrim geächtet, oder das Recht, ihm die Strafe zu verhangen, in meinen Hönden sein!" Darauf stieg er an seinen Platz zurück.
Jetzt sprang Gunnar hervor und sprach: "Darauf lege ich ein Gelübde ab", sagte er, "eh das Allthing aus ist diesen Sommer, will ich den Thorwald, Sohn des Odd, des Landes verwiesen sehen oder aber das Recht, ihm die Strafe zu verhängen, in meinen Handen haben!" Er stieg zurück über den Tisch und sprach zu Thord: "Warum sitzest du da, Thord, und sprichst kein Wort? Wir wissen doch, dass du das Gleiche willst wie wir." Thord antwortete: "Lassen wir's für diesmal dabei bewenden." Gunnar erwiderte: "Willst du etwas, dass wir für dich das Wort führen, so sind wir bereit; wir wissen ja, dass du's auf den Odd abgesehen hast!" Thord sagte: "Mit dem, was ihr redet, könnt ihr's halten, wie ihr wollt: was ich rede, ist meine Sache. Führt das nur gut zu Ende, was ihr da gesprochen habt."
Es trug sich nichts Weiteres von Belang zu an der Hochzeit, aber doch verlief sie glänzend; und wie sie zu Ende war, da zog ein Jeder seine Strasse.
Der Winter verstrich. Und wie es Frühling war, sammelten sie Mannschaft und zogen hinüber an den Borgarfjord, kamen nach Nordtunga und luden den Arngrim vor und den Hühncrthorir, vor das Gericht in Thingnes. Herstein mit dreissig Mann trennte sich von der Schar und zog zu dem Hofe, wo Thorwald, der Sohn des Odd, zuletzt im Quartier gewesen war, und Hess dort die Vorladung ergehen.
Jetzt war es unruhig in den Landschaften und ein grosses Hin- und Hergerede und ein Zusammenziehen von Mannschaft bei beiden Parteien.
Eines schönen Tages verschwand der Hühnerthorir aus dem Bezirk, selb zwölft, sobald er erfuhr, was für Leute die Klage übernommen hatten, und man hörte gar nichts mehr von ihm.
Odd und Arngrim warben ihre Mannschaft an zu beiden Seiten der Weissach. Thord Gellir sammelte Streitkräfte bei sich im Westlande, und brachte nicht sehr viel zusammen. Als er und die Seinen sich trafen, da waren es im Ganzen zweihundertundvierzig Mann. Sic ritten hinüber zur Weissach und wollten da den Strom überschreiten, wo es Zum Knechtestrudel heisst. Da sahen sie eine grosse Schar südwärts des Flusses heranziehen: das war Odd und hatte an die vierhundertachtzig Mann. Da beschleunigten sie ihren Ritt und wollten zuerst zu der Furt kommen. Sie trafen am Flusse zusammen; Odd und die Seinen sprangen ab und verwehrten ihnen den Uebergang; dem Thord und seiner Schar ging's mühsam mit dem Vorwärtsdringen, und doch wollten sie gern das Thing erreichen. Es kam zum Handgemenge und setzte auch gleich Verwundungen. Auf Seiten des Thord fielen vier Mann, darunter Thorolf der Fuchs, ein hochangesehener Mann. Und damit traten sie den Rückweg an. Auf Seiten Odds war einer gefallen und drei schwer verwundet.
Thord machte jetzt die Klage beim Allthing anhängig. Sie ritten heim; und man fand, das Ansehen der Leute aus der Westgegend habe einen argen Stoss bekommen.
Odd ritt auf das Thing. Er schickte seine Knechte mit den Pferden nach Hause. Als sie heimkamen, fragte Jorun, Odds Frau, was es Neues gebe. Die Knechte meinten, sie wüssten keine andere Neuigkeit als die, dass einer aus dem Westlande, von der Breitbucht, gekommen sei, der habe es verstanden, dem Odd Rede zu stehen: "und seine Stimme, die klang so, wie wenn ein Stier brüllte." Sie meinte, dass sei keine Neuigkeit, wenn man ihm Rede gestanden habe wie jedem Anderen; aber nach allem dem, was vorgefallen sei, meinte sie, wäre wohl etwas anderes zu erwarten. "Es war da auch ein Gefecht", sagten sie, "und es fielen fünf Mann im ganzen, und viele wurden verwundet." Aber vorher hatten sie das mit keinem Worte erwähnt!
Das Thing ging vorüber, ohne dass etwas besonderes vorfiel.
Als Gunnar mit seinem Schwiegersohn heim gekommen war, da tauschten sie ihre Wohnstüttcn aus: Herstein übernahm Gun-narsstadir; Gunnar zog nach Oernolfsthal: er Hess all das Bauholz, das dem Norweger Oern gehört hatte, herschaffen, machte sich darauf an die Arbeit und führte die Gebäude des Hofes neu auf. Gunnar war nämlich handfertig wie nicht bald ein zweiter; auch in allem übrigen war er tüchtig und führte seine Waffe wie nur einer und war ein Mann von rechtem Heldensinn.
So verstrich ein Jahr, und es kam die Zeit, wo man zum Allthing reiten sollte. Es wurde eifrig gerüstet in den Landschaften. Beide Parteien ritten mit ungeheuer grossem Gefolge.
Als Thord Gellir mit seiner Schar nach Gunnarsstadir kam, da war Herstein krank und konnte nicht mit zum Thing. Er übertrug die Führung der Klage auf einen Anderen. Es blieben dreissig Mann bei ihm zurück.
Thord ritt nun aufs Thing. Er kam zeilig an; und sobald wieder eine neue Schar anruckte, ware er eifrig um Mannschaft.
Nun sah man den Odd mit seiner Schar heranziehen.
Thord ritt ihm entgegen; denn er wollte ihn nicht den geheiligten Thingbezirk erreichen lassen. Odd ritt an der Spitze von dreihundertsechzig Mann. Thord und die Seinen verwehrten ihnen das Betreten des Thingfeldes, und da kam es alsbald zum Handgemenge. Nicht lange, so gab es Tote, und sehr viele wurden verwundet. Es fielen sechs Mann auf Seiten des Odd; denn Thord war ihm bei weitem Überlegen.
Da sagten sich friedliebende Manner, wenn jetzt die ganze Landsgemeinde aneinander geriete, so wurden daraus Uebelstände erwachsen, deren Ende nicht abzusehen wäre. Sie legten sich ins Mittel; die Streitendenwurden getrennt; Odd musste nachgeben: denn einmal, fand man, das schwächere Recht in dem ganzen Handel sei auf seiner Seite, und ausserdem zog er mit seinen Streitkräften den Kürzeren. Es wurde angeordnet, dass Odd ausserhalb des geheiligten Thingbezirkes seine Zelte aufschlagen solle, dass er aber zu den Gerichtssitzungen kommen und seinen Geschäften nachgehen dürfe; nur sollten er und seine Leute sich gesittet verhalten und keine Widerspenstigkeit an den Tag legen.
Jetzt aber ist einiges von Herstein zu berichten.
Seine Krankheit Hess bald nach, als die Andern zum Thing abgezogen waren. Da ritt er nach Oernolfsthal.
Eines Tages in der Frühe war er in der Schmiede er verstand sich nämlich auf Eisenarbeit wie nicht bald ein Zweiter. Da kam ein Bauer herein, Namens Oernolf, der sagte: "Meine Kuh ist krank" sagte er, "ich möchte dich bitten, Herstein, komm doch und sieh sie dir an. Wir haben eine Freude, dass du wieder hier bist; das ist uns ein wenig ein Ersatz für deinen Vater, dem wir gar manche Wohlthat zu verdanken hatten." Herstein antwortete: ,,Ich kümmere mich nicht um deine Kuh, und ich könnte, auch nicht sehen, was ihr fehlt." Der Bauer erwiderte: "Das ist doch ein grosser Unterschied zwischen deinem Vater und dir: er hat mir die Kuh geschenkt, und du willst sie dir nicht einmal ansehen.'1 Herstein antwortete: "Ich gebe dir eine andere Kuh, wenn die da stirbt." Der Bauer erwiderte: "Für's erste möchte ich lieber, dass du sie dir einmal ansähest."
Da sprang Herstein auf, und die Sache verdross ihn; er ging hinaus und der Bauer mit ihm. Sie schlugen den Weg nach dem Walde ein. Da zieht sich der Pfad im Zickzack hinauf, zu beiden Seiten Wald. Und wie nun Herstein den Weg durch die Felsen ging, da machte er Halt, -- er war scharfäugig wie nicht leicht ein Anderer. Er sagte: "Kam nicht da im Walde ein Schild zum Vorschein?" Der Bauer schwieg. Her- stein sagte: "Hast du mich verraten, du Hund? Nun, wenn du dich eidlich gebunden hast, nichts zu sagen, so log dich nieder hier auf dem Wege und sprich kein Wort; thust du das nicht, so bringe ich dich um.«
Da legte sich der Bauer nieder, aber Herstein kehrte um und rief seine Leute zusammen: sie nahmen ihre Waffen und gingen nach dem Walde und fanden den Oernolf an dem Wege. Sie sagten ihm, er solle sie dahin führen, wo es verabredet war, dass sie sich treffen sollten.
So gingen sie, bis sie zu einer Lichtung kamen. Da sagte Herstein zu Oernolf: "Ich will dich nicht zum Reden zwingen; aber geh jetzt, wohin man dich bestellt hatte." Der Bauer lief auf einen Hügel hinauf und that einen lauten Pfiff. Da liefen zwölf Männer hervor, an ihrer Spitze der Hühnerthorir. Herstein und die Seinen aber nahmen diese Leute fest und erschlugen sie. Herstein selbst hieb dem Thorir den Kopf ab und nahm ihn mit sich.
Darauf ritten sie zum Thing und erzählten dort das Geschehene. Herstein hatte viel Ruhm und Auszeichnung von dieser That, wie zu erwarten war.
Nun sass man über den Rechtshändeln der Leute, und der Abschluss der Sache war der, dass Arngrim geächtet wurde mit voller Acht1) und ebenso all die anderen, die bei dem Mordbrande gewesen waren, ausser Thorwald, dem Sohne des Odd: er sollte drei Jahre ausser Landes sein und dann freie Rückkehr haben.
Darnach wurde das Thing aufgelöst, und die Leute fanden, Thord habe dem Handel gut und rühmlich zu Ende geholfen. Man ritt vom Thing nach Hause. Die Geüchteten aber fuhren in diesem selben Sommer noch ausser Landes. Thorwald wurde mit seinem Schiff an der schottischen Küste angetrieben und dort als Knecht gefangen gehalten.
Gunnar sass nun in Oernolfsthal; mit dem Neubau des Gehöftes war er gut zum Abschluss gekommen.
Er hatte diesen Herbst die Sennhütten bezogen, und es war immer wenig Volk auf dem Hofe. Seine Tochter Jofrid hatte vor dem Hause ein Zelt für sich; sie fand es darin kurzweiliger. Eines Tages trug es sich zu, dass Thorodd, der Sohn des Odd, in die Gegend geritten kam. Sein Weg führte ihn nach Oernolfsthal, und er trat zu Jofrid in das Zelt ein. Sie hiess ihn freundlich willkommen. Er nahm Platz neben ihr, und sie unterhielten sich zusammen. Nicht lange, so kam ein Knabe von der Sennhütte herunter und sagte, Jofrid möge ihm doch
helfen, die Sattellasten von den Pferden zu heben. Thorodd ging heran und hob die Lasten herunter.
Der Knabe ging zurück und kam zu der Sennhütte. Gunnar fragte ihn, warum er es so eilig habe. Er gab keine Antwort. Gunnar fragte: "Hast du irgend etwas gesehen?" "Gar nichts", sagte der Knabe. "Nein nein", sagte Gunnar, "du siehst mir so aus, als ob dir etwas über den Weg gelaufen sei, was schon der Mühe wert wäre, zu erzahlen! Ist es so, so sag es mir. Ist vielleicht Jemand zum Hofe gekommen?" "Ich habe Niemand gesehen", sagte der Knabe. "Du wirst es jetzt schon sagen", sprach Gunnar und nahm eine grosse Gerte und schickte sich an, den Jungen zu schlagen: er brachte ebenso wenig aus ihm heraus wie vorher.
Da holte sich Gunnar ein Pferd, schwang sich auf und ritt in einer Eile die Halde hinunter zum Gehöft. Jofrid sah ihren Vater daherkommen und sagte es dem Thorodd und bat ihn, er möge weg reiten: "ich möchte nicht, dass ich schuld würde an etwas Schlimmem!" Thorodd sagte, er wolle sogleich reiten. Aber schon war Gunnar zur Stelle; er sprang ab und trat gleich ins Zelt ein. Thorodd grüsste ihn höflich; Gunnar erwiderte seinen Gruss und fragte dann, was ihn hergeführt habe. Thorodd sagte, es habe ihm gerade so am Wege gelegen: "doch will ich das nicht in feindseliger Absicht gethan haben. Ich möchte wissen, was für eine Antwort du giebst, wenn ich um deine Tochter Jofrid anhalte." Gunnar antwortete: "Meine Tochter verheirate ich dir nicht nach einer solchen Handlungsweise. Es hat ohnedies nicht zum besten zwischen uns gestanden die Zeit über. Darnach ritt Thorodd heim.
Eines Tages erklärte Odd, es wurde sich nicht Übel schicken, einige Nutznicssung zu haben von dem Lande in Oernolfsthal, dort, wo sich Andere widerrechtlich auf mein Eigentum gesetzt haben." Die Weiber fanden, das würde ganz gelegen kommen: "das Vieh steht so schlecht in der Milch, und es wird viel mehr hergeben, wenn man's so macht, wie du sagst." "So soll man die Herde dorthin treiben", sagte Odd, "denn dort giebt es gute Weideplätze". Da sagte Thorodd: "Ich erbiete mich dazu, die Herde zu begleiten: man wird sich dann weniger an sie heran wagen." Odd sagte, das sei ihm ganz lieb.
So zogen sie mit der Herde ab. Und wie sie ein gutes Stück weit gekommen waren, sagte Thorodd, sie sollten das Vieh dahin treiben, wo sie auf die schlechteste Weide trafen, und am meisten kahle Stellen waren. Die Nacht verging, und am andern Morgen trieben sie das Vieh heim. Und wie die Weiber gemolken hatten, da sagten sie, so schlechte Milch habe es noch nie gegeben wie diesmal. So wurde dies nicht zum zweiten Male versucht. Und es ging wieder einige Zeit hin.
Das war eines Morgens in der Frühe, dass Odd seinen Sohn Thorodd ins Gespräch nahm; "Reite hinunter in die Landschaft und bring Manner zusammen; ich will jetzt die Leute von meinem Eigentum treiben.
Wir Andern wollen thalaufwärts gehen und die dort in Kenntnis setzen. Wir treffen uns dann an der Steinfurt."
So thaten sie und sammelten Mannschaft; Thorodd bekam neunzig Mann zusammen, mit denen ritt er zur Furt, und sie kamen vor den Andern an. Da sagte er, sie wollten gleich weiter reiten. Und wie sie nun gegen die Hofmauer in Oernolfsthal herankamen, war Gunnar eben dabei, eine Karrenfuhre zu laden. Da bemerkte ein Knabe, der bei Gunnar war: "Da kommen Leute auf den Hof zu, eine recht grosse Zahl." "Ja, ganz recht", sagte Gunnar; er ging ins Haus und holte seinen Bogen, er war nämlich ein Bogenschütze wie kaum ein Zweiter, und er wird oft dem Gunnar von Hlidarendi an die Seite gestellt. Seinen Hof hatte er damals in guten Stand gebracht: an der äusseren Thür befand sich ein Guckloch, durch dieses konnte man eben den Kopf hinaus stecken. Er stellte sich jetzt mit dem Bogen an die Thür.
Nun kam Thorodd zum Hause und trat an die Thür, und ein paar seiner Leute mit ihm, und fragte, ob Gunnar etwa ein Lösegehl bieten wolle. Der antwortete: "Ich wüsste nicht, dass ich für irgend etwas zu büssen hatte. Aber das milchte ich vermuten, eh ihr mich in eure Gewalt bekommt, werden meine Dienerinnen den einen und andern von deinen Begleitern mit dem Schlafdorn gestochen haben, eh ich im Staube liege!" Thorodd antwortete: "Das ist ja wahr, es leben nicht viele, die es mit dir aufnehmen. Aber doch könnte eine so grosse Schar gegen dich anrucken, dass du dich nicht zu halten vermagst; denn mein Vater ist im Anzüge mit starker Mannschaft und hat vor, dich zu erschlagen." Gunnar erwiderte: "Gut denn! ich mochte nur wünschen, dass ich meinen Mann funde, ehe ich zur Strecke kommet Ich hab's mir nie anders gedacht, als dass dein Vater den Frieden zwischen uns nicht lange halten werde. "Im Gegenteil", sagte Thorodd, "wir wollen gern Frieden schliessen. Reich jetzt deine Hand dar in guten Treuen und sage mir deine Tochter Jofrid zu." Gunnar erwiderte: "Du trotzest mir meine Tochter nicht ab Uebrigens ein unebenes Angebot wäre es nicht, was dich anlangt, denn du bist ein wackerer Bursch." Thorodd antwortete: "Ein Abtrotzen werden das rechtliche Männer nicht nennen) und du verpflichtest mich dir zu grosser Dankbarkeit, wenn du auf meinen Vorschlag eingehst, unter alten den Bedingungen, wie sie der Sache anstehen."
Und nun, wie seine Freunde ihm zuredeten, und er ausserdem bedachte, dass sich Thorodd immer ehrenhaft bewiesen habe, da kam es schliesslich dazu, dass Gunnar die Hand darreichte, und die Sache zwischen ihnen beschlossen wurde.
Jetzt eben kam Odd auf den Hofplatz. Thorodd wandte sich gleich seinem Vater entgegen und fragte ihn, was er vor habe. Er erklarte, er habe vor, den Hof zu verbrennen mitsamt den Insassen. Thorodd entgegnete: "Die Sache hat jetzt einen andern Lauf genommen; Gunnar und ich haben uns verglichen." Und er erzählte, wie alles gekommen war. "Man traut seinen Ohren nichtig sagte Odd: "wäre es denn schlimmer für dich, das Mädchen zu haben, wenn Gunnar vorher getödtet wäre er, der unser grösster Gegner war! Es ist uns übel bekommen, dass wir dich mitmachen Hessen Thorodd antwortete: "Mit mir musst du dich jetzt zuerst schlagen, wenn es nicht anders sein kann."
Jetzt legten sich Leute ins Mittel und brachten's zu einem Vergleich zwischen den Beiden. Die Sache kam zu dem Abschluss, dass Jofrid dem Thorodd verlobt wurde. Odd aber war Übel damit zufrieden. Darnach zogen die Leute heim. Nach einiger Zeit fand man sich zur Hochzeit ein; dem Thorodd behagte seine Heirat wohl.
Nach Ablauf des Winters aber zog Thorodd ausser Landes; denn er hatte erfahren, dass sein Bruder Thorwald in Gefangenschaft sitze, und wollte ihn mit Geld loskaufen. Er kam nach Norwegen und kehrte nie wieder nach Island zurück, weder er noch sein Bruder.
Odd begann nun sehr zu altern. Und wie er erfuhr, dass keiner seiner Sühne mehr zurückkommen werde, da befiel ihn eine schwere Krankheit. Und wie es anfing, ihm zuzusetzen, da sagte er zu seinen Freunden, sie sollten ihn hinauf schaffen auf die Höhe des Skaneyberges, nach seinem Tode: von dort wolle er über das ganze Stromland hinschauen. So geschah es.
Jofrid aber, die Tochter Gunnars, wurde nachher an Thorstein, den Sohn des Egil in Borg, verheiratet und war eine Frau von guter alter Art.
Und damit schliesst die Geschichte vom Huhnerthorir.